Fensterfalzlüfter

Fensterfalzlüfter werden seit Jahren eingesetzt um den Problemen mit Schimmel bei dichten Gebäuden entgegenzuwirken. Dabei werden die eigentlich „dichten“ Fenster durch solche Einbauten „definiert“ undicht gemacht. Damit kann aber bei vielen Gebäuden der zum „Feuchteschutz notwendige Mindestluftwechsel“ gewährleistet werden.

Aber nicht bei jeder Wohnung kann dies mit diesen Systemen alleine erreicht werden. Bei Gebäuden mit nur einer Fassadenausrichtung, vor allen bei Apartmentwohnungen oder bei geschlossenen Hinterhöfen, ist eine ausreichende Querströmung nicht immer möglich.
Generell sind die Berechnungsgrundlagen teilweise sehr einfach gehalten, was unserer Meinung nach viele kritisch zu sehende Rechenergebnisse liefern kann. So werden z.B. wärmetechnische Eigenschaften eines Gebäudes von 1890 gleichgesetzt mit einem Gebäude von 1970, oder ein Gebäude mit der WsVO95 wird gleichgesetzt mit einem Gebäude EnEV 2002.
 
Der Fokus bei allen nach der DIN 1946-6 basierenden Berechnungen liegt leider fast ausschließlich bei der Feuchte, weniger bei der Lufthygiene und dessen erforderlichen Mindestluftwechsel, wie er in der DIN 4108 gefordert wird. Ein ruhender Mensch benötigt ca. 20-30 m³/Stunde, zusätzlich zur Feuchte müssen alle Schadstofflasten (z.B. VOC aus Möbeln und Einrichtungsgegenständen) aber auch alle anderen Geruchslasten (Küche, WC) abgeführt werden. Vor allen dem CO2-Wert sollte mehr Beachtung geschenkt werden, mit jedem Ausatmen geben wir 4% CO2 an die Raumluft ab und verschlechtern so kontinuierlich die Raumluftqualität. Wir nehmen am Tag ca. 20.000 Liter Luft auf, daraus wird ersichtlich, dass wir dem „Lebensmittel“ Luft in geschlossenen Räumen mehr Betrachtung schenken müssen und nicht nur die Feuchte betrachten dürfen.
Mit Fensterfalzlüfter alleine ohne unterstützende Lüftung (Fensterlüftung oder mechanische Systeme) kann der hygienische Mindestluftwechsel nicht sichergestellt werden. Selbst bei einer reinen Fensterlüftung kann der hygienische Mindestluftwechsel nur durch unverhältnismäßiges mehrfaches Lüften am Tag erreicht werden.  
 
Bei den oft zitierten Empfehlungen mit z.B. 3 x 5 Minuten Lüften am Tag ergibt sich ein Luftwechsel von nur 1% am Tag!

(3x Lüften a´5 min / Tag = 15min von 1440 min / Tag = ~1%)

Das bedeutet, dass auch bei eingebauten Fensterfalzlüftern trotzdem mehrfach zusätzlich von Hand gelüftet werden muss, um die erforderliche Lufthygiene sicherzustellen. In der DIN 4108 wird ein 0,5-1-facher Luftwechsel (alle zwei Stunden) gefordert, also 12 Mal am Tag. Die Fensterlüftung wird aber von den Gerichten mittlerweile stark eingeschränkt (laut BGH max. 2 bis 3-mal am Tag). Das bedeutet, dass 9-10 Mal manuell gelüftet werden müsste, bei Einsatz von Fensterfalzlüftern etwas weniger. Wie dies zukünftig juristisch gewertet wird ist abzuwarten.

Bei mechanischen Lüftungsanlagen ist der Abtransport von Schadstoffen einfacher zu realisieren, da dies nutzerunabhängig erfolgen kann.
Da Fensterfalzlüfter die erwärmte Luft ohne Wärmerückgewinnung nach außen führen, verschlechtern sie bei energetischen Gebäuden die Gesamtenergiebilanz.
Bei Passivhäusern beträgt der Verlust der Lüftung über die Gebäudehülle ~ 80%, weshalb bei diesen Gebäuden fast ausschließliche mechanische Lüftungssysteme mit WRG eingesetzt werden. Bei den zukünftig zu erwartenden Verschärfungen der  Bundesregierung und der EU zum energetischen Gebäudebestand sowie zum Neubau, werden deshalb Systeme mit Wärmerückgewinnung gegenüber den Fensterfalzsystemen sicherlich mehr an Bedeutung gewinnen.
Auch darf nicht vergessen werden, dass durch den Einbau von neueren Fenstern sich der „Schwachpunkt des Gebäudes“ vom früher schlechten Fenster meist auf die immer schon vorhandenen Wärmebrücken verlagert. Das Fenster war vorher für Feuchte und Wärme sprichwörtlich „offen gestanden“. Das Schimmelproblem ist aber bei extremen Wärmebrücken mit Lüften alleine nicht zu beheben, dies sollte bei allen Sanierung immer berücksichtig werden.
 
 
Bei der Durschicht mehrerer Berechnungen werden einige Lücken in der Norm offensichtlich. Da wird z.B. bei demselben Gebäude die Infiltration (Undichtigkeit des Gebäudes) bei Fensterfalzlüftung gegenüber Abluftanlagen mit ADL anders angesetzt, zufälligerweise wird das geforderte Ergebnis dabei immer erreicht. Das soll nicht bedeuten, dass bewusst absichtlich falsch gerechnet wird, manchmal ist eher Unkenntnis der Fall, fragwürdig bleiben manche Rechenergebnisse aber trotzdem. Viele Berechnungen werden nur anhand von Bauplänen erstellt, oft ist für die Firmen das Thema Wohnungslüftung aber auch Neuland.
Deshalb sollten alle Berechnungen immer kritisch hinterfragt und auf Plausibilität werden.
 
Fazit:
Wer trägt die Schuld, wenn nach Einbau von neuen Fenstern mit solchen Systemen dennoch Probleme mit Schimmel an kritischen Stellen entstehen?
Da Mieter und Auftraggeber aus rechtlicher Sicht eher ausscheiden werden, wird der Planer oder der Fensterbauer vermutlich überbleiben, auch wenn die Rechnung nach Norm korrekt ist.
Deshalb sollten beim Einsatz solcher Systeme die Berechnungen immer kritisch geprüft werden, sicherheitshalber sollte mit schlechteren Annahmen gerechnet werden.
Leider ist ein messtechnischer Nachweis der Berechnungen fast nicht möglich und erschwert so eine Überprüfung am Objekt.
Generell haben diese Systeme in der Vergangenheit mit Sicherheit dazu beigetragen das Schimmelrisiko bei Einbau neuer (dichter) Fenster zu minimieren. Bei denkmalgeschützten Gebäuden sind solche Systeme auch oft die einzige Alternative und haben sich dort auch gut bewährt.
Auch ist bei vielen Herstellern ein zerstörungsfreier Rückbau möglich, so dass bei einer späteren Umstellung auf ein Lüftungssystem die Fenster nicht ausgetauscht oder angepasst werden müssen.
 

Prinzipiell muss man sich aber fragen, warum die Fensterhersteller mittlerweile drei Dichtebenen einbauen und alle Anstrengungen vornehmen um die Fenster dicht zu bekommen und anderweitig die Fenster wieder „undicht“ gemacht werden.
 
Dieser Widerspruch stellt auch die Problematik von energetischen Gebäuden dar, da diese immer aufwendigere und teure Technik benötigen. Welcher Weg der richtige ist, kann nur mit einem durchdachten Gesamtkonzept ermittelt werden. Ob das errechnete oder gewünschte Ziel erreicht wird oder ob die Maßnahme wirtschaftlich ist, wird uns in vielen Fällen wohl erst die Zukunft zeigen.

 

Was bisher weniger beachtet wurde, aber eine nicht unerhebliche Rolle spielen kann:

 

Wie stark ist die Verschmutzung (Verkeimung) solcher Systeme, da diese ungefiltert in ggf. tauwassergefährdeten Bereichen eingebaut sind und wie alle Lüftungssysteme in der Regel selten bis gar nicht gewartet oder gereinigt werden?

 



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